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Der Fessenheim-Abriss wird eine Mammutaufgabe Aktionsbündnis News
Veröffentlicht von Administrator (admin) am 13.02.2020
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Von Bärbel Nückles

Do, 13. Februar 2020 um 12:47 Uhr

Ein Angestellter verlässt die Sicherheitszone des Atomkraftwerks in Fessenheim. Foto: afp

 

Nach 42 Jahren geht Frankreichs ältestes Atomkraftwerk vom Netz. Doch das Risiko eines schweren atomaren Unfalls in Fessenheim entfällt erst in 3 Jahren – wenn die Brennelemente abtransportiert sind.

Für die Region ist es ein epochaler Schritt, für den französischen Energiekonzern EdF eine Herausforderung in Sachen Sicherheit und Technik: Am 22. Februar 2020 schaltet Electricité de France den ersten der beiden Reaktoren im elsässischen Atomkraftwerk in Fessenheim ab. In Block zwei der Anlage endet der Betrieb vier Monate später, am 30. Juni 2020. Welche Risiken sind mit dem Rückbau verbunden?
Was geschieht, wenn Block 1 in Fessenheim abgeschaltet wird?

Block 1 wird in der Nacht von Freitag auf Samstag, den 22. Februar, ein letztes Mal heruntergefahren. Die Entnahme der Brennelemente, es sind 157 pro Reaktor, beginnt am 3. März und dauert zwei Tage. Entnommen werden die Brennelemente mit einem ferngesteuerten Greifarm. Dieser legt sie im benachbarten Abklingbecken ab. Dort bleiben sie unter Wasser. Anschließend wird der Reaktordeckel verschlossen.

Die Brennelemente werden nach Angaben der EdF mindestens zwölf Monate im Abklingbecken deponiert und dann in die Wiederaufbereitungsanlage La Hague gebracht. 2020 sind zehn Transporte mit Brennelementen geplant, die bereits vor Monaten aus dem Reaktor entnommen wurden. Bis 2023 sollen 45 Transporte aus Fessenheim dorthin gehen.
Welche Gefahren bestehen nach der Abschaltung?

Mit dem Abtransport der Brennelemente entfällt das größte Risiko: ein schwerer atomarer Unfall. Deshalb befürwortet die französische Atomaufsicht den EdF-Plan eines schnellen Abtransports. Er soll innerhalb von drei Jahren erfolgen. Für die Lagerung der Brennstäbe vor dem Abtransport veranschlagt EdF einen Zeitraum von einem
Jahr bis zu zwei Jahren.

Bis die Stäbe Fessenheim verlassen haben, bleiben Gefahren aus der Luft, etwa ein Flugzeugabsturz. Bei einem Verlust von Kühlwasser könnte auch die Wärmeentwicklung der Brennelemente außer Kontrolle geraten. "Es träte ein Szenario ein, bei dem Evakuierungsmaßnahmen nötig wären", erklärt der deutsche Nuklearexperte Christian Küppers vom Ökoinstitut aus Darmstadt und Freiburg. Als weitere Risikoszenarien nennt er ein Erdbeben mit einem Brand als Folge und "ein Versagen von Behältern, die radioaktive Flüssigkeiten enthalten".

Wie sieht der Plan zum Abriss des Atomkraftwerkes aus?

In Fessenheim könnte der Rückbau 2025 beginnen, sofern die Atomaufsicht ihre Zustimmung gibt. Im Herbst 2019 hat der Betreiber EdF nicht nur die Abschaltung der beiden Reaktoren für 2020 öffentlich gemacht, sondern auch einen Demontageplan vorgelegt. Spätestens mit Abrissbeginn verlangt die französische Atomaufsicht (ASN) eine klare Darstellung der Pläne, die über die bisher eingereichten 59 Seiten hinausgeht.
Rein technisch wird ein Teil der Zerlegarbeiten unter Wasser vorgenommen. Dazu braucht es Spezialgerät und Roboter. Insbesondere für die großen Teile wie die Dampfgeneratoren dürften eigens Hallen errichtet werden, um eine radioaktive Belastung außerhalb des Akw zu verhindern. EdF orientiert sich beim Rückbau von Fessenheim an den Erfahrungen bei der Demontage des schwächeren Reaktors Chooz A in den Ardennen. In Betrieb genommen wurde dieser in den 1960er-Jahren, stillgelegt wurde er 1991. Erst 2007 hat seine Demontage begonnen. Sie dauert an.

Was sagt die Atomaufsicht zur Planung des Betreibers EdF?

Angesichts der Abschaltung des ersten Reaktors in Fessenheim verlangt die ASN eine präzisere Ausarbeitung der Basisplanung. EdF soll zeigen, dass der Betreiber Risikoszenarien, mögliche Zwischenfälle und die erforderlichen Lösungen durchdacht hat. Im Moment fehle eine aktualisierte Gefahrenabschätzung für Erdbeben in der Zeit nach der Abschaltung. Zudem gehe der Plan nicht darauf ein, dass zwei Reaktoren zeitversetzt abgeschaltet und demontiert werden müssen, kritisiert die Atomaufsicht. Das könne zu Komplikationen führen.

Die Rüge der ASN liefert Akw-Gegnern Argumente für ihre Kritik. "Wir erwarten von EdF, dass die Demontage von Fessenheim beispielhaft verläuft und den Standard setzt für Frankreich", sagt André Hatz von Stop Fessenheim. Fessenheim ist das älteste Akw der Republik, das noch in Betrieb ist. Andere Reaktoren dieses Bautyps erreichen ebenfalls in den kommenden Jahren das Laufzeitende. Sie müssen stillgelegt und demontiert werden, sollten sie ein neues Genehmigungsverfahren nicht überstehen.

Wie wird der belastete Bauschutt behandelt?

Insgesamt hat es die EdF mit 380.000 Tonnen belastetem Material zu tun. Zu 94 Prozent sind das Beton und Metall. Am stärksten belastet sind der Reaktordruckbehälter und seine Einbauten. Noch brauchbare Bauteile des Atomkraftwerkes sollen in anderen Akw-Standorten als Ersatzteile benutzt werden. Gebäudeteile, Primär- und Sekundärkreislauf sowie große Bauteile – etwa die drei Dampferzeuger in jedem Reaktor – werden demontiert, dekontaminiert, zerlegt oder eingeschmolzen.

Noch hat EdF aus Sicht der ASN nicht überzeugend dargelegt, wie die Reststoffe aus den Reaktordruckbehältern zwischengelagert werden sollen. Das atomare Endlager in Bure in Lothringen ist noch nicht genehmigt. Eine vorübergehende Lagerstätte für die radioaktiven Reststoffe aus Fessenheim will EdF an einem anderen Akw-Standort errichten. Aber auch hier sind die rechtlichen Voraussetzungen noch nicht erfüllt. Für schwach- bis mittelradioaktive Materialien ist eine Lagerstätte im Département Aube (Grand Est) vorgesehen.

Welche Risiken bleiben nach dem Rückbau Fessenheims?

Auf dem Akw-Gelände sollen nach der Demontage die Reaktor-Fundamente im Boden belassen und Hohlräume mit dekontaminiertem Bauschutt verfüllt werden. Laut Christian Küppers vom Ökoinstitut ist dieses Verfahren üblich. Bleiben die Fundamente im Boden, so warnt er, bestehe aber die Gefahr, dass durch Lecks im Untergrund radioaktive Flüssigkeiten austreten und das Grundwasser verseuchen.

Die ASN antwortet auf Nachfrage, dass die Pläne von EdF mit Blick auf die künftige Nutzung des Geländes überprüft werden müssen. Sie behält sich also einen Einspruch vor. Außerdem, so eine ASN-Sprecherin, dürfe keine Restradioaktivität mehr nachzuweisen sein. Vor Beginn der Demontage ist EdF zu einer Offenlegung der Pläne verpflichtet.

Warum sollte EdF in Fessenheim kein "Technocentre" ansiedeln?

EdF könnte in Fessenheim eine Anlage für das Recycling von abgebrochenen Akw-Bauteilen einrichten, ein sogenanntes Technocentre – und hofft auf eine Kooperation mit Deutschland. Schließlich werden auch deutsche Akw abgebaut. In Deutschland habe man "Reststoffbearbeitungszentren" aber überwiegend am jeweiligen Standort eingerichtet, berichtet Christian Küppers. Man wolle Transporte weitgehend vermeiden.

"Bei vielen Rückbauten käme es zu langen Überschneidungen, da bräuchte man eine riesige Einrichtung", so der deutsche Nuklearexperte. Auch in Frankreich könnte das passieren, da große Teile des französischen Akw-Parks zeitgleich entstanden sind und etwa zur selben Zeit abgebaut werden müssen. Die französische Umweltministerin Elisabeth Borne äußerte sich skeptisch über ein solches Technocentre.

Die Geschichte des Akw Fessenheim

  • 1977: Inbetriebnahme von Reaktor eins am 30. Dezember. Reaktor zwei folgt am 18. März 1978.
  • 1979: Zwei Jahre danach erhalten Anwohner Broschüren mit Verhaltensregeln für den Ernstfall.
  • 1996: Risse im Reaktordeckel von Block 2 werden publik. Er wird zwei Jahre später ausgetauscht. In Block 1 muss der Deckel ersetzt werden.
  • 2011: Die Laufzeit des älteren der Reaktoren wird nach der dritten Großinspektion für zehn Jahre verlängert. 2012 genehmigt die Atomaufsicht auch für Reaktor zwei den Weiterbetrieb.
  • 2012: François Hollande kündigt noch als Präsidentschaftskandidat die Stilllegung des Akw an und bekräftigt das Versprechen nach seiner Wahl.
  • 2014: Greenpeace-Aktivisten durchbrechen mit einem Lkw die Absperrung des Akw und besetzen Reaktor eins.
  • 2015: Ein neues Energie-Gesetz legt die Grundlage für die Stilllegung des Akw Fessenheim. Zu diesem Zeitpunkt ist sie noch an die Inbetriebnahme des Reaktors EPR in Flamanville gekoppelt.
  • 2017: Zu Ende der Amtszeit Hollandes ordnet Umweltministerin Ségolène Royale die Stilllegung per Dekret an.
  • 2017: Vor dem Amtsgericht Guebwiller wird der Betreiber Electricité de France (EdF) zu einer Geldstrafe verurteilt. Nach einem Störfall mit Wasserschaden 2015 hatte EdF die Tragweite des Schadens verschwiegen.
  • 2018: Die Regierung unter dem 2017 gewählten Staatspräsidenten Emmanuel Macron legt fest, dass Fessenheim unabhängig von der Inbetriebnahme des EPR stillgelegt werden kann.
  • 2019: Ende September beantragt EdF die Stilllegung.

 

Zuletzt geändert am: 13.02.2020 um 19:12:32

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