Wohin mit 175.000 Menschen bei einem Unfall im Akw Fessenheim? | |
Veröffentlicht von Administrator (admin) am 18.10.2018 | |
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Von Annemarie Rösch
Das Regierungspräsidium Freiburg hat seinen Plan für einen möglichen Unfall im Atomkraftwerk Fessenheim vorgestellt. Wichtige Details sind allerdings noch ungeklärt - etwa die Zielorte der Evakuierung.
Schon acht Termine haben diverse französische Regierungen genannt, zu denen das elsässische Akw Fessenheim abgeschaltet werden soll – sie wurden immer auf später verschoben. Dabei erklärte der Experte André Herrmann, früherer Präsident der Schweizer Strahlenschutzkommission, in einer Infoveranstaltung am Dienstag in Freiburg erneut, wie gefährlich das Atomkraftwerk seiner Ansicht nach sei. Unterdessen ist die grobe Planung für eine Evakuierung der Region im Falle eines Akw-Unglücks abgeschlossen.
2020 läuft die bisherige Zehnjahresgenehmigung aus
"Die EdF überschätzt sich maßlos. Es ist verheerend, wie sich der Akw-Betreiber verhält", sagte Herrmann in der Veranstaltung, die die Stadt Freiburg gemeinsam mit dem Regierungspräsidium und dem Trinationalen Atomschutzverband (Tras) organisiert hatte. Electricité de France (EdF) sei etwa bei einem Erdbeben kaum in der Lage, die Folgen für das Akw zu beherrschen. Die Berechnungen des französischen Konzerns zur Problemlösung seien viel zu optimistisch. Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer sieht allerdings Anzeichen dafür, dass Fessenheim bald vom Netz gehen könnte. 2020 läuft die bisherige Zehnjahresgenehmigung aus. "Im Moment können wir nicht erkennen, dass sich die EdF um eine neue Genehmigung bemüht", so Schäfer.
Was die Planungen für den Fall einer Atomkatastrophe anbelangen, so hatte die deutsche Strahlenschutzkommission 2014 erweiterte Sicherheitszonen um Atomkraftwerke empfohlen: Die innere Zone (Zentralzone) wird begrenzt durch einen Umkreis mit fünf statt wie bisher zwei Kilometer Abstand zum Akw, die sogenannte Mittelzone reicht sogar 20 statt bisher 10 Kilometer tief ins Umland des Akw. Auch die deutschen Gebiete in der Nachbarschaft zu den grenznahen Schweizer Akw Beznau und Leibstadt sind in die Planung einbezogen. Im Ernstfall muss die Zentralzone binnen sechs Stunden evakuiert werden, die Mittelzone innerhalb von 24 Stunden.
Freiburg hat 2,5 Millionen Jodtabletten eingelagert
Wie Tina Schlick, Leiterin des Referats Katastrophenschutz im Regierungspräsidium, mitteilte, stehen jetzt die genauen Evakuierungsgebiete fest. In Freiburg, das nur zum Teil in der Mittelzone liegt, will man weitere Stadtgebiete in die Zone aufnehmen, obwohl der Umkreis dadurch Ausbuchtungen erhält: "Es wäre schwierig, Straßenzüge zu durchschneiden", meint Schlick.
2,5 Millionen Jodtabletten hat die Stadt Freiburg inzwischen eingelagert, berichtet Philipp Golecki vom Amt für Brand- und Katastrophenschutz. Solche Tabletten, die vor radioaktiver Strahlung schützen, sollen in der Zentral- und in der Mittelzone ausgegeben werden. In Freiburg sind die üblichen Wahllokale als Ausgabestellen vorgesehen. Andernorts können es zum Beispiel auch Schulen sein.
Seit diesem Jahr plant man im Regierungspräsidium an den Details des Notfallschutzplans. Am Beispiel von zwei Gebieten (Sektoren) hat das Regierungspräsidium bereits herausgearbeitet, welche Fluchtwege es für die Bevölkerung geben könnte und welche Einrichtungen wie Kindertagesstätten, Alten- und Pflegeheime oder Krankenhäuser evakuiert werden müssten.
Kritik aus dem Publikum
Ein wichtiges Problem ist allerdings nicht gelöst: Wohin werden so viele Menschen – es wird mit 175 000 Personen in der Mittelzone gerechnet – im Katastrophenfall gebracht? Die Stadt Freiburg plant eine Evakuierung über die Autobahnzubringer auf die A5. "Auf die Bahn kann man sich da nicht verlassen, deshalb haben wir die erst gar nicht miteinbezogen", sagt Golecki. Auch die Zielorte stehen noch nicht fest.
"Wir sind in Gesprächen mit Regierungspräsidien außerhalb der Evakuierungszonen und mit dem Innenministerium", sagt Schlick. Die Gemeinden dort müssten im Notfall Schulen oder Hallen zur Verfügung stellen. "So eine Evakuierung ist eine Mörderaufgabe", sagt Golecki. In den USA sei es aber gelungen, nach einer Hurrikan-Warnung 650 000 Menschen binnen drei Tagen aus der Gefahrenzone zu bringen.
Kritik gab es aus dem Publikum, weil der Evakuierungsplan noch immer nicht ganz fertig ist. "Wir müssen mit Gemeinden und Kreisen Rücksprache halten, das ist eine langwierige Aufgabe", sagt Schlick. Im Notfall müsse man auf den bereits bestehenden Plan zurückgreifen und die bisherigen Erkenntnisse aus der neuen Planung einbeziehen, meint Golecki.
Zuletzt geändert am: 18.10.2018 um 13:57:15
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